
Rund 40 Menschen verunglücken pro Tag auf Österreichs Straßen bei
Auffahrunfällen - mit schweren Verletzungen oder gar tödlichen Folgen. Im
ersten Halbjahr 2004 wurden österreichweit bei Auffahrunfällen 7.256
Menschen verletzt und 39 getötet. Jeder vierte Verkehrsunfall ist ein
Auffahrunfall, auf Autobahnen gar jeder zweite. Das Kuratorium für
Verkehrssicherheit schlägt daher Alarm: Höchste Zeit für die seit langem
geforderte StVO-Regelung in Sachen Sicherheitsabstand!
Nur sechs Prozent aller
Unfälle insgesamt werden auf Autobahnen verzeichnet - dieser geringe Anteil
ist aber für 45 Prozent aller bei Auffahrunfällen Getöteten verantwortlich.
Fatale Konsequenz einer riskanten Kombination: Hohes Tempo und geringer
Abstand. Erhöht wird das Risiko eines Auffahrunfalls auf der Autobahn durch
das verstärkte Verkehrsaufkommen gerade auf den schnelleren Spuren. Die
Aggression am Steuer boomt hier ganz besonders: Drängeln und Auffahren,
Anblinken und Hupen, überhöhtes Tempo und riskantes Überholen gehören zum
heutigen Autobahn-Ambiente offenbar dazu. Die Mehrheit der "Normalfahrer"
wird immer öfter von der gefährlichen Minderheit der Risikofahrer belästigt
und bedrängt.
Eine Untersuchung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit zeigt die
mangelnde Abstandsmoral der schnelleren Fahrer: So hält sich auf der
Überholspur nicht einmal jeder Zweite an einen Abstand von zwei Sekunden.
Paradox, doch Realität: Mit zunehmender Geschwindigkeit schrumpft de facto
der Sicherheitsabstand zwischen den Fahrzeugen. Doch die menschliche
Reaktionsfähigkeit hat ihre Grenzen, die moderne Fahrzeugtechnik auch. Was
nützt der beste Airbag, wenn bei 130 km/h eine Zeitlücke von nur einer
Sekunde das eigene Fahrzeug vom Vordermann trennt?
Den Vordermann aggressiv vom Fahrstreifen zu drängen bedeutet eine ernste
Bedrohung Unschuldiger - Rowdytum in Reinkultur. Wird der Auffahrer
erwischt, droht ihm allerdings auch so einiges: Der Verlust des
Führerscheins für mindestens drei Monate, eine Geldstrafe bis zu EUR 2.180,-
und im schlimmsten Fall auch ein Gerichtsverfahren - mit einer Strafdrohung
von bis zu einem Jahr Freiheitsentzug.
Der klassische Auffahrer ist männlicher Vielfahrer mittleren Alters,
beruflich gut situiert, mit langjähriger Fahrpraxis und zumeist stark
motorisiert unterwegs. Eine europaweite Studie der Einstellungen von
Autofahrern in Sachen Straßenverkehr hat gezeigt: Wiederholte Auffahrer
verfügen über rund 11 bis 25 Jahre Fahrerfahrung, legen im Jahr rund 15.000
bis 20.000 km am Steuer ihres Pkw zurück und fahren bevorzugt starke Autos
mittlerer bis höherer Hubraumklasse.
Die Grundproblematik in puncto Gewohnheitsdrängler liegt darin, dass
diese leichtsinnigen Lenker aufgrund ihres fortgeschrittenen Lebensalters
und ihres manifesten risikoreichen Fahrverhaltens nur schwer beeinflussbar
sind. Sie sind der Überzeugung, dass Fahrerfahrung Fahrfehler kompensieren
kann und riskanteres Fahrverhalten daher durchaus gerechtfertigt ist. Kein
Wunder also, dass die Gruppe der wiederholten Auffahrer auch stärker dazu
neigt, Tempolimits zu ignorieren - je höher, desto lieber. Den beim
Schnellfahren erlebten Lustgewinn legalisieren wiederholte Drängler und
Raser für sich durch die Überzeugung, mit diesen Übertretungen nicht allein
zu sein. Interessantes Detail der Studie: Wiederholte Auffahrer erleben
angepasste "Abstandhalter" viel eher als Störfaktor als umgekehrt.
Bewusstseinsbildung allein reicht also nicht aus: Gewohnheitsmäßige
Auffahrer können nur noch gesetzliche Maßnahmen und strenge Kontrollen in
die Schranken weisen. Das KfV fordert seit langem einheitliche Standards und
intensivierte Überwachung in puncto Abstandsverhalten - eine klare
gesetzliche Regelung im Kampf gegen die gefährlichen Drängler ist dringend
gefragt. Das KfV fordert folgenden Mindestabstand per Gesetz: Bei
Fahrgeschwindigkeiten von mehr als 50 km/h mindestens eine Sekunde, bei
Geschwindigkeiten von mehr als 100 km/h mindestens 1,5 Sekunden. Dies sind
allerdings absolute Mindestforderungen - die generelle Empfehlung der
KfV-Experten lautet: bis 50 km/h eine Sekunde, bis 100 km/h zwei Sekunden
und über 100 km/h drei Sekunden Sicherheitsabstand - optimale
Fahrbedingungen vorausgesetzt.
Durch Drängeln schneller unterwegs? Im Gegenteil. Studien beweisen:
Richtiges Abstandsverhalten der Kfz-Lenker im Kolonnenverkehr trägt
maßgeblich zur Homogenität des Verkehrsflusses bei. Je gleichartiger die
Fahrgeschwindigkeiten der einzelnen Fahrzeuge, desto flüssiger der Verkehr.
Und desto früher - und sicherer - sind alle am Ziel.
Quelle: KfV
Nichts regt die Autofahrer laut einer Umfrage des Kuratoriums für
Verkehrssicherheit mehr auf, als das zu knappe Auffahren. Was das Drängeln
aus Sicht der Befragten so gefährlich macht, ist vor allem der zu geringe
Bremsweg und die Stresssituation. Und tatsächlich: Ein zu geringer
Sicherheitsabstand auf Autobahnen gilt laut ÖAMTC als die häufigste
Unfallursache und führt oft zu Massenkarambolagen.